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Das Tournier Der Ritter
Morgan Rice


Ring der Zauberei #16
"DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten. " –Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (über Queste der Helden) "[Eine] unterhaltsame epische Fantasy-Geschichte. " –Kirkus Reviews (über Queste der Helden) ) "Der Anfang von etwas Bemerkenswertem ist gemacht. " –San Francisco Book Review (über Queste der Helden) ) DAS TOURNIER DER RITTER ist Buch # 16 aus der Bestseller-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die mit QUESTE DER HELDEN (BUCH #1) anfängt – das als kostenloser Download mit mehr als 500 5-Sterne-Bewertungen auf Amazon zur Verfügung steht! In DAS TOURNIER DER RITTER folgen Thorgrin und seine Brüder Guwayne Spur über das Meer auf die Insel des Lichts. Doch als sie die verwüstete Insel und den sterbenden Ragon erreichen, ist es womöglich schon zu spät. Darius wird in die Hauptstadt des Empire in die größte Arena von allen gebracht. Er wird von einem mysteriösen Mann trainiert, der fest entschlossen ist, ihn zu einem Krieger zu machen und ihm zu helfen, das Unmögliche zu überleben. Doch die Arena der Hauptstadt ist anders, als alles, was Darius bisher gesehen hat – und seine ausgezeichneten Gegner sind vielleicht sogar für ihn zu mächtig. Gwendolyn wird ins Herz der Familiendynamik des königlichen Hofes des Jochs gezogen, als der König und die Königin sie um einen Gefallen bitten. Beim Versuch, Geheimnisse zu lüften, die die Zukunft des Jochs verändern und Thorgrin und Guwayne retten können, ist Gwen schockiert über das, was sie entdeckt, als sie zu tief gräbt.





Morgan Rice

DASВ В TOURNIERВ В DERВ В  RITTER BAND #16 IM RING DER ZAUBEREI




Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern

“DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, Edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten.”

–-Books and Movie Reviews, Roberto Mattos



“Rice hat das Talent den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzusaugen. Mit ihrer malerischen Sprache gelingt es ihr ein mehr als nur ein Bild zu malen – es läuft ein Film vor dem inneren Auge ab. Gut geschrieben und von wahnsinnig schnellem Erzähltempo.”

–-Black Lagoon Reviews (zu Verwandelt)



“Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice hat gute Arbeit beim Schreiben einer interessanten Wendung geleistet. Erfrischend und einzigartig, mit klassischen Elementen, die in vielen übersinnlichen Geschichten für junge Erwachsene zu finden sind. Leicht zu lesen, aber von extrem schnellem Erzähltempo… Empfehlenswert für alle, die übernatürliche Romanzen mögen.”

–-The Romance Reviews (zu Verwandelt)



“Es packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht los…. Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer voll rasanter Action ab der ersten Seite. Es gab nicht eine langweilige Seite.”

–-Paranormal Romance Guild (zu Verwandelt)



“Voll gepackt mit Aktion, Romantik, Abenteuer und Spannung. Wer dieses Buch in die Hände bekommt wird sich neu verlieben.”

–-vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Eine großartige Geschichte. Dieses Buch ist eines von der Art, das man auch nachts nicht beiseite legen möchte. Das Ende war ein derart spannender Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte um zu sehen, was passiert.“

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–-The Romance Reviews (zu Geliebt)



Гњber Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie fГјr junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ГњBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei BГјchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn BГјchern besteht und die Bestsellerlisten anfГјhrt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/) um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!




BГјcher von Morgan Rice




VON KГ–NIGEN UND ZAUBERERN


Der Aufstand Der Drachen (Band #1)




DER RING DER ZAUBEREI


QUESTE DER HELDEN (Band #1)


MARSCH DER KГ–NIGE (Band #2)


LOS DER DRACHEN (Band #3)


RUF NACH EHRE (Band #4)


SCHWUR DES RUHMS (Band #5)


ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)


A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)


A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)


A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)


A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)


A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)


A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)


A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)


demnächst auf Deutsch erhältlich


AN OATH OF BROTHERS – DER EID DER BRÜDER (BAND #14)


A DREAM OF MORTALS – DER TRAUM DER STERBLICHEN(BAND #15)


A JOUST OF KNIGHTS – DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)




DIE TRILOGIE DES ГњBERLEBENS


ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)


ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)




DER WEG DER VAMPIRE


GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)


VERGГ–TTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)


VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)


BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)


BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)


BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)


VOWED – GELOBT (Band #7)


FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)


demnächst auf Deutsch erhältlich


RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)


CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)


FATED  – BERUFEN (Band #11)












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Copyright В© 2014 by Morgan Rice



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KAPITEL EINS


Thorgrin stand am Bug des schnittigen Schiffes und hielt sich an der Reling fest. Der Wind strich sein Haar zurück, während er mit einem zunehmend unguten Gefühl gen Horizont. Ihr Schiff, das sie von den Piraten erbeutet hatten, segelte so schnell wie der Wind es trug. Elden, O’Connor, Matus, Reece, Indra und Selese trimmten die Segel während Angel an Thors Seite stand. Er wusste genau, dass sie bereits am Limit segelten, doch er wünschte sich immer noch, schneller voranzukommen. Nach all dieser Zeit war er sich endlich sicher, dass Guwayne in beinahe greifbarer Nähe war, direkt hinter dem Horizont auf der Insel des Lichts. Und mit derselben Sicherheit spürte er, dass Guwayne in Gefahr war.

Thor konnte nicht verstehen, was der Grund dafГјr sein sollte. SchlieГџlich war Guwayne als sie die Insel das letzte Mal verlassen hatten, sicher auf der Insel des Lichts unter dem Schutz von Ragon gestanden, Argons Bruder.

Argon war der mächtigste Zauberer, den Thorgrin je kennengelernt hatte – er hatte sogar den ganzen Ring geschützt – und er wusste nicht, welche Gefahr Guwayne unter dem Schutz seines Bruders drohen sollte.

Es sei denn es gab eine Macht da draußen, von der Thorgrin noch nie gehört hatte, eine dunkle Magie, die es selbst mit Ragon aufnehmen konnte. Konnte es sein, dass ein Reich existierte, irgendeine dunkle Macht, ein finsterer Magier, von dem er nichts wusste?

Doch warum sollte er seinen Sohn angreifen?

Thor dachte zurück an den Tag, an dem er die Insel des Lichts unter dem Einfluss seines Traums in größter Eile verlassen hatte. Er hatte sich gezwungen gefühlt. Rückblickend erkannte er nun, dass er von einer dunklen Macht getäuscht worden war, die ihn von seinem Sohn fortlocken wollte. Thor begriff, dass die Zeichen die ganze Zeit über schon gut sichtbar gewesen waren. Wie hatte er sie ignorieren können? Welcher dunklen Macht war es gelungen, ihn vom Weg abzubringen?

Thor erinnerte sich an den Preis, den er zahlen musste – die Dämonen, die aus der Hölle entlassen worden waren, der Fluch des dunklen Lords, dass für jeden Mann der das Land der Toten verließ, ein Dämon freigelassen wurde.

Er war sich sicher, dass das eine seiner Prüfungen gewesen war – doch er war sich auch dessen bewusst, dass sie noch lange nicht vorbei waren. Welche anderen Prüfungen lagen noch vor ihm? Würde er jemals seinen Sohn zurückbekommen?

„Mach dir keine Sorgen“, hörte er eine süße Stimme.

Thor drehte sich um und sah Angel, die an seinem Hemd zupfte.

„Alles wird gut werden“, sagte sie lächelnd.

Thor lächelte sie an und legte ihr seine Hand auf den Kopf, wie immer getröstet von ihrer Gegenwart.

Er liebte Angel wie seine Tochter. Ihre Anwesenheit gab ihm ein gutes GefГјhl.

„Und wenn nicht“, fügte sie hinzu, „dann kümmere ich mich darum!“

Stolz hob sie den kleinen Bogen, den O’Connor für sie gemacht hatte, und zeigte Thor, dass sie ihn spannen konnte. Thor lächelte amüsiert, als sie den Bogen an die Brust hob, einen kleinen hölzernen Pfeil anlegte und zitternd vor Anstrengung begann, die Sehne zurückzuziehen. Sie ließ die Sehne los und ihr Pfeil trudelte aufs Meer hinaus.

„Habe ich einen Fisch getötet?!“, rief sie aufgeregt, stürzte an die Reling und blickte voller Freude aufs Wasser.

Thor stand neben ihr und blickte ins schäumende Wasser hinab. Er war sich nicht sicher, doch er lächelte und sagte,

„Dessen bin ich mir sicher – vielleicht war es sogar ein Hai!“

Thor hörte ein fernes Kreischen und war plötzlich hellwach. Er erstarrte, griff nach seinem Schwert und studierte aufmerksam den Horizont.

Langsam löste sich der dichte Nebel auf und gab den Blick frei. Thors Herz sank. In der Ferne sah er dunkle Rauchschwaden, die zum Himmel aufstiegen und bald konnte Thor sehen, dass sie von einer Insel aufstiegen. Doch es war nicht irgendeine Insel. Er erkannte die steilen Klippen, die sich hoch über das Wasser erhoben und das große Plateau. Sie war unverkennbar:

Die Insel des Lichts.

Thor spürte einen Stich in seiner Brust als er sah, dass der Himmel über ihr von bösen Kreaturen schwarz gefärbt wurde, Gargoyles, die wie Aasfresser die Überreste der Insel umkreisten und dabei schrille Schreie ausstießen. Es war eine ganze Armee und unter ihnen stand die ganze Insel in Flammen. Nicht ein Fleck schien unbeschadet zu sein.

„SCHNELLER!“, schrie Thor gegen den Wind und wusste, dass es umsonst war. Er fühlte sich hilflos wie noch nie in seinem Leben.

Doch er konnte nichts tun. Er betrachtete die Flammen, den Rauch und die Monster, die sich davonmachten während Lycoples herzzerreißend schrie. Er wusste, es war zu spät. Nichts auf der Insel konnte überlebt haben. Was auch immer sich auf der Insel befand – Ragon, Guwayne, einfach alles – war ohne jeden Zweifel tot.

„NEIN!“, schrie Thor und verfluchte den Himmel als die Gischt ihm ins Gesicht schlug, während ein heftiger Rückenwind sie, zu spät, auf eine Insel des Todes zu trug.




KAPITEL ZWEI


Gwendolyn stand alleine im Ring im Schloss ihrer Mutter. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Das Schloss war verlassen, vollkommen leer, ohne Möbel, und selbst die wunderschönen Bleiglasfenster fehlten, die es einst geschmückt hatte. Das Sonnenlicht fiel durch die leeren Fensteröffnungen, Staub wirbelte durch die Luft und es fühlte sich an, als wäre dieser Ort schon seit tausend Jahren unbewohnt.

Gwendolyn sah aus dem Fenster hinaus auf die Landschaft des Rings, den Ort, den sie von ganzem Herzen geliebt hatte, der nun karg, verlassen und grotesk wirkte, als ob nichts Gutes mehr auf der Welt leben wГјrde/

„Meine Tochter“, hörte sie eine Stimme.

Gwendolyn fuhr herum und erschrak, als sie ihre Mutter hinter sich stehend fand. Sie sah sie mit müdem und kränklichem Blick an, und glich ihren Erinnerungen an ihre Mutter kam. So hatte sie auf dem Totenbett ausgesehen, als wäre sie zu alt für ein Leben.

Gwendolyn spürte einen Knoten im Hals und bemerkte, wie sehr sie sie vermisste, egal, was zwischen ihnen vorgefallen war. Sie war sich nicht sicher, ob sie sie vermisste, oder ob es die Sehnsucht nach etwas Bekanntem war, ihrer Familie, dem Ring. Was hätte sie dafür gegeben, zu Hause zu sein in ihrer gewohnten Umgebung.

„Mutter“, antwortete Gwendolyn und konnte kaum fassen, dass sie vor ihr stand.

Gwendolyn streckte die Hand nach ihr aus, doch plötzlich fand sie sich an einem anderen Ort wieder, auf einer Insel am Rand eines Kliffs. Die Insel war verbrannt, alles roch noch nach Feuer und Asche und der Geruch von Schwefel hing schwer in der Luft. Sie sah sich um und als die Aschewolken vom Wind verweht wurden, bemerkte sie eine Wiege aus Gold, das einzige Objekt, das in der verkohlten Landschaft hervorstach.

Gwendolyns Herz pochte als sie nervös auf die Wiege zuging um zu sehen, ob ihr Sohn dort war und ob es ihm gut ging. Ein Teil von ihr freute sich unbändig darauf, ihn aufzuheben, an sich zu drücken und ihn nie wieder loszulassen. Ein anderer Teil fürchtete, dass er vielleicht nicht in der Wiege lag, oder viel schlimmer noch, dass er tot war.

Gwendolyn eilte auf die Wiege zu und beugte sich darГјber. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie sah, dass die Wiege leer war.

„GUWAYNE!“, schrie sie.

Dann hörte sie einen Schrei, hoch oben in der Luft, der ihren erwiderte, und als sie aufblickte, sah sie eine Armee schwarzer Gargoyles, die davonflogen. Ihr stockte der Atem als sie sah, dass der letzte von ihnen in seinen Krallen ein weinendes Baby hielt.

Es war Guwayne, der von den Kreaturen unter einem finsteren Himmel davongetragen wurde.

„NEIN!“, schrie sie.

Gwendolyn erwachte schreiend. Sie richtete sich im Bett auf und sah sich nach Guwayne um, wollte ihn an ihre Brust drГјcken.

Doch er war nicht bei ihr.

Schwer atmend sah sie sich um und versuchte sich zu erinnern, wo sie war. Im schwachen Licht des frГјhen Morgens brauchte sie ein paar Sekunden um zu erkennen, wo sie war:

Das Joch. Das Schloss des Königs.

Gwendolyn erschrak, als sie etwas an ihrer Hand spГјrte, doch als sie hinsah, bemerkte sie Krohn, der ihre Hand leckte und dann sanft seinen Kopf auf ihren SchoГџ legte. Sie streichelte seinen Kopf, durchbrach dabei langsam den schweren Nebel des Traums und erlangte langsam die Orientierung wieder.

Guwayne, dachte sie. Der Traum hatte sich so real angefühlt. Sie wusste, dass es mehr war als ein Traum – es war eine Vision. Guwayne, wo auch immer er war, war in Gefahr. Er ist von einer dunklen Macht entführt worden. Sie konnte es spüren.

Beunruhigt stand Gwendolyn auf. Mehr denn je spГјrte sie den Drang, ihren Sohn und ihren Gemahl zu finden. Sie wollte sie sehen und in ihren Armen halten. Doch sie wusste, dass es noch nicht sein sollte.

Sie wischte ihre Tränen ab, wickelte sich in ihre seidene Robe und ging schnell über den kühlen Steinboden ans Fenster. Sie schob das bunte Bleiglasfenster auf und ließ das matte Licht der ersten Sonne ein, das die Landschaft blutrot färbte. Es war ein atemberaubender Anblick. Gwendolyn ließ den Blick über die Hauptstadt und die endlose Landschaft drum herum schweifen, sandte Hügel mit reichen Weinbergen, der größte Überfluss, den sie je an einem Ort gesehen hatte. Dahinter lag das Joch im Nebel, ein Bergrücken in der Form eines perfekten Kreises, der das Land umfing. Es schien ein Ort zu sein, dem nichts etwas anhaben konnte.

Gwendolyn dachte an Thorgrin und Guwayne, die irgendwo hinter diesen HГјgel waren. Wo waren sie? WГјrde sie sie jemals wiedersehen?

Gwendolyn ging zu dem kleinen steinernen Becken hinüber, spritzte sich Wasser ins Gesicht und zog sich schnell an. Sie wusste, dass sie Thorgrin und Guwayne nicht finden konnte, indem sie in dieser Kammer herumsaß. Wenn irgendjemand ihr dabei helfen konnte, war es vielleicht der König.

Gwendolyn dachte an ihre Unterhaltung mit ihm, als sie über den Rücken des Jochs gegangen waren nachdem sie Kendrick verabschiedet hatten und erinnerte sich an die Geheimnissee, die er ihr anvertraut hatte; dass er und das Königreich starben. Da war noch mehr, noch weitere Geheimnisse, in die er sie einweihen wollte – doch sie waren unterbrochen worden. Seine Ratgeber hatten ihn zu einer dringenden Angelegenheit gerufen und bevor er sie verlassen hatte, hatte er versprochen, dass er ihr mehr erklären und sie um einen Gefallen bitten wollte. Was konnte das für ein Gefallen sein? Was konnte er von ihr wollen?

Der König hatte sie gebeten, ihn bei Sonnenaufgang im Thronsaal zu treffen und Gwendolyn beeilte sich, um sich nicht zu verspäten. Ihre Träume hatten sie keinen erholsamen Schlaf finden zu lassen, sie fühlte sich angeschlagen.

Während sie sich anzog meldete sich ihr Hunger wieder zu Wort – die lange Zeit des Hungerns in der Großen Wüste hing ihr noch deutlich nach. Sie blickte zu dem kleinen Tisch hinüber der übervoll war mit Leckereien- Brot, Früchten, Käse – ergriff schnell ein paar Stücke und aß sie auf dem Weg. Die Hälfte davon verfütterte sie an Krohn, der zu ihren Füssen winselte und ihr das Angebotene dankbar aus den Händen nahm. Sie war dankbar für das Essen, die Unterkunft und ihr großzügiges Quartier – sie fühlte sich in gewisser Weise als wäre sie wieder in King’s Court, wo sie aufgewachsen war.

Die Wachen nahmen Haltung an, als sie ihre Kammer verlieГџ und hielten ihr die schwere EichentГјr auf.

Sie ging an ihnen vorbei die fГјr die Nacht nur schwach beleuchteten Flure des Schlosses entlang.

Dicht gefolgt von Krohn erreichte sie das Ende des Flurs und stieg eine steinerne Wendeltreppe hinauf, bis sie die oberen Stockwerke erreichte, wo der Thronsaal lag. Sie eilte einen weiteren Flur hinunter und wollte gerade durch einen Durchgang gehen, als sie eine aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sie zuckte zusammen, Гјberrascht eine Person im Schatten stehen zu sehen.

„Gwendolyn?“, sagte er mit sanfter Stimme und trat mit einem selbstgefälligen Lächeln auf dem Gesicht aus dem Schatten.

Gwendolyn blinzelte Гјberrascht und sie brauchte einen Augenblick, bis sie sich erinnerte, wer er war. In den letzten Tagen war sie so vielen Menschen vorgestellt worden, dass die Gesichter alle miteinander verschmolzen.

Doch dies war ein Gesicht, das sie nicht vergessen konnte. Sie erkannte ihn als den Sohn des Königs, den der Zwillinge, der sich gegen sie ausgesprochen hatte.

„Du bist der Sohn des Königs“, sagte sie. „Der drittälteste, wenn ich mich recht erinnere.“

Er grinste und trat einen weiteren Schritt auf sie zu – es war ein listiges Grinsen, das Gwendolyn nicht gefiel.

„Der zweitälteste“, korrigierte er. „Wir sind Zwillinge, doch ich bin der erstgeborene von uns.“

Als er näher kam musterte Gwendolyn ihn, und bemerkte, dass er tadellos gekleidet und rasiert war, das Haar sorgfältig gekämmt und er roch nach feinen Ölen. Er hatte einen selbstgefälligen Ausdruck im Gesicht, und strahlte Arroganz und Selbstherrlichkeit aus.

„Ich bevorzuge es, wenn man mich nicht als einen der Zwillinge ansieht“, fuhr er fort. „Ich bin ein eigenständiger Mann. Mardig ist mein Name. Es ist lediglich mein Schicksal, als Zwilling geboren worden zu sein, eines, auf das ich keinen Einfluss habe. Das Schicksal der Kronen, könnte man sagen“, schloss er philosophisch.

Gwendolyn fГјhlte sich in seiner Gegenwart unwohl, denn sein Verhalten von letzter Nacht hatte einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Sie spГјrte, wie sich auch Krohn neben ihr Anspannte und sich seine Nackenhaare aufstellten.

Sie wollte wissen, was er von ihr wollte.

„Hältst du dich immer im Schatten in den Fluren auf?“, fragte sie.

Mardig grinste und trat näher, ein wenig zu nah für ihren Geschmack.

„Es ist schließlich mein Schloss“, antwortete er besitzergreifend. „Es steht mir frei, umherzuwandern.“

„Dein Schloss?“, fragte sie. „Ist es nicht das Schloss deines Vaters?“

Seine Miene verfinsterte sich.

„Alles zu seiner Zeit“, antwortete er kryptisch und trat einen weiteren Schritt auf sie zu.

Gwendolyn trat unwillkГјrlich einen Schritt zurГјck, und Krohn begann zu fauchen.

Mardig warf Krohn einen missbilligenden Blick zu.

„Du weißt, dass in unserem Schloss Tiere nicht willkommen sind?“, sagte er.

Gwendolyn verzog gereizt das Gesicht.

„Dein Vater hat kein Problem damit.“

„Mein Vater sorgt sich nicht um die Einhaltung der Regeln“, antwortete er. „Ich jedoch schon. Und die Wache des Königs untersteht meinem Kommando.“

Sie sah ihn frustriert an.

„Ist das der Grund, warum du mich aufgehalten hast?“, fragte sie erbost, „um mich wegen Krohn zu belästigen?“

Er sah sie böse an als er bemerkte, dass er womöglich einer ebenbürtigen Gegnerin gegenüberstand. Er starrte sie an als ob er sie einzuschätzen versuchte.

„Es gibt keine Frau in unserem Königreich, die sich nicht nach mir verzehrt“, sagte er. „Und doch sehe ich keine Leidenschaft für mich in deinen Augen.“

Gwendolyn starrte ihn entsetzt an als sie schlieГџlich erkannte, was er wollte.

„Leidenschaft?“, wiederholte sie angewidert. „Warum auch? Ich bin vermählt und die Liebe meines Lebens wird bald an meine Seite zurückkehren.“

Mardig lachte laut auf.

„Ist das so?“, fragte er. „Nach allem, was ich gehört habe ist er schon lange tot. Oder so weit fort von hier, dass er nie zurückkehren wird.“

Gwendolyn sah ihn böse an, ihr Ärger wuchs.

„Und selbst wenn er niemals zurückkehren sollte“, sagte sie, „würde ich nie einen anderen Mann nehmen. Und ganz sicher nicht dich.“

Seine Miene verfinsterte sich.

Sie wandte sich zum Gehen, doch er hielt sie am Arm fest. Krohn fauchte.

„Ich bitte hier nicht um das, was ich will“, sagte er. „Ich nehme es mir. Du bist in einem fremden Königreich unter der Gnade eines fremden Gastgebers. Es wäre Weise, sich deinen Fängern zu fügen. Schließlich würdest du ohne unsere Gastfreundschaft in die Wüste geschickt. Und es gibt viele unglückliche Umstände und Unfälle, die einen Gast ereilen können – selbst unter dem Dach des wohlgesinntesten Gastgebers.“

Sie sah ihn böse an – in ihrem Leben hatte sie zu viele wirkliche Gefahren erlebt, als sich vor leeren Drohungen zu fürchten.

„Fänger?“ sagte sie. „Betrachtest du uns etwa als Gefangene? Ich bin eine freie Frau, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Ich kann kommen und gehen, wie es mir beliebt.“

Er lachte. Es war ein widerliches Lachen.

„Und wo würdest du hingehen? Zurück in die Wüste?“

Er lächelte und schüttelte den Kopf.

„Theoretisch kannst du kommen und gehen, wie es dir passt“, fügte er hinzu. „Doch ich frage dich: Wenn die Welt um dich herum ein feindlicher Ort ist, was bleibt dir dann?“

Krohn fauchte aggressiv und Gwendolyn konnte spüren, dass er zum Sprung bereit war. Sie schüttelte entrüstet Mardigs Hand von ihrem Arm and und streichelte Krohn beruhigend den Kopf. Dann als sie Mardig ansah, fiel ihr plötzlich etwas ein.

„Sag mir, Mardig“, sagte sie mit kalter Stimme. „Warum bist du nicht mit dienen Brüdern draußen in der Wüste? Warum bist du der einzige, der hier geblieben ist? Hast du Angst?“

Er lächelte, doch hinter seiner Maske konnte sie seine Feigheit spüren.

„Ritterlichkeit ist für Narren“, antwortete er. „Zweckdienliche Narren, die den Weg bereiten für den Rest von uns, damit wir haben können, was immer wir wollen. Man muss ihnen nur ihre Ritterlichkeit unter die Nase reiben und schon kann man mit ihnen spielen wie mit Marionetten. Ich selbst lasse mich nicht so leicht manipulieren.“

Sie sah ihn angewidert an.

„Mein Gemahl und unsere Silver würden einen Mann wie dich auslachen“, sagte sie. „Im Ring würdest du keine zwei Minuten mit deiner Scharade bestehen.“

Gwendolyn blickte zum Eingang hinГјber den er blockierte.

„Du hast die Wahl“, sagte sie. „Du kannst mir aus dem Weg treten, oder Krohn kann das Frühstück haben, nach dem er sich so sehnt. Ich denke, dass du genau die richtige Größe hast.“

Er warf einen Blick auf Krohn, und sie konnte seine Lippe zittern sehen. Er trat beiseite.

Doch sie ging noch nicht. Stattdessen trat sie auf ihn zu und sah ihn böse an. Sie wollte sicher gehen, dass er sie verstanden hatte.

„Du magst das Kommando über dein kleines Schloss hier haben“, zischte sie. „Doch vergiss nicht, dass du mit einer Königin sprichst. Einer freien Königin. So lange ich lebe werde ich weder dir noch irgendjemandem folgen. Davon habe ich genug. Und das macht mich gefährlich – viel gefährlicher als du selbst es bist.“

Der Prinz starrte sie an, und zu ihrer Überraschung lächelte er.

„Ich mag dich, Königin Gwendolyn“, sagte er. „Viel mehr, als ich es gedacht hätte.“

Mit pochendem Herzen sah sie zu, wie er sich von ihr abwandte, zurГјck in die Dunkelheit glitt und verschwand. Als seine Schritte langsam verhallten, fragte sie sich, welche Gefahren an diesem Hofe lauerten.




KAPITEL DREI


Kendrick ritt durch die trockene WГјstenlandschaft, Brandt und Atme an seiner Seite, dicht gefolgt von den sechs Silver. Sie waren alles, was von der Bruderschaft des Rings Гјbrig war und ritten wie in alten Zeiten miteinander.

Während sie immer tiefer und tiefer in die Große Wüste vordrangen, wog das Heimweh und die Trauer schwer auf seinen Schultern; er dachte an die großen Tage des Rings zurück, in denen er umgeben von den Silver, seinen Waffenbrüdern, mit tausenden von Männern in die Schlacht geritten war. Er hatte an der Seite der feinsten Ritter gekämpft, die das Königreich zu bieten gehabt hatte, alles großartige Krieger, und wo auch immer er hingekommen war, erschallten die Trompete und die Dorfbewohner hatten ihm ein großes Willkommen bereitet. Seine Männer und er waren überall willkommen gewesen und die Nächte waren lang gewesen, wenn sie ihre Geschichten erzählt hatten von Schlachten, von Mut und Tapferkeit, von Kämpfen mit Monstern, die aus dem Canyon oder der Wildnis gekommen waren. Würden diese glorreichen Tage jemals wiederkehren?

Kendricks Vorstellung davon, was einen Krieger ausmachte, hatte sich über die Jahre verändert und besonders dieser Tage spürte er, dass nicht nur Geschick und Ehre einen Krieger ausmachten, sondern auch Durchhaltevermögen. Die Fähigkeit, einfach weiterzumachen.

Das Leben warf einem so viele Hindernisse, Katastrophen, Tragödien, Verluste – und so viele Veränderungen in den Weg; er hatte mehr Freunde verloren, als er zählen konnte, und der König, für den er sein Leben gegeben hätte, war tot. Seine Heimat gab es nicht mehr. Und doch hielt er durch, und machte weiter, selbst wenn er nicht sicher wusste, wofür, doch er suchte nach dem Grund.

Und diese Fähigkeit durchzuhalten war es, die einen Krieger ausmachte, die einen Mann dazu brachte, all diese Prüfungen zu bestehen, bei denen so viele andere aufgaben. Das war es, was die echten Krieger von allen anderen unterschied.

„SANDWAND VORAUS!“, rief eine Stimme.

Es war eine fremde Stimme an die sich Kendrick noch gewöhnen musste. Als er sich umsah, erkannte er Koldo, den ältesten Sohn des Königs, dessen schwarze Haut ihn von der Gruppe abhob. In der kurzen Zeit, in der Kendrick in kannte, hatte Koldo bereits seinen Respekt verdient, allein durch die Art, wie er seine Männer führte und wie sie zu ihm aufblickten. Er war ein Ritter, neben dem zu Reiten Kendrick mit Stolz erfüllte.

Koldo deutete in Richtung Horizont und Kendrick folgte mit dem Blick seinem ausgestrecktem Arm – doch er hatte sie gehört, bevor er sie gesehen hatte. Es war ein schrilles Pfeifen, wie ein Sturm, und Kendrick erinnerte sich daran, wie er halb bewusstlos hindurchgeschleppt worden war. Er erinnerte sich an den wütenden Sandsturm, der niemals endete und eine massive Wand schuf, die sich gen Himmel erhob. Sie hatte undurchdringlich ausgesehen, wie eine echte Wand, und sie half, das Königreich des Jochs vor dem Rest des Empire versteckt zu halten.

Als das Pfeifen lauter wurde, wuchs in Kendrick die Angst, wieder hindurchzugehen.

„LEGT DIE SCHALS AN“, befahl eine Stimme.

Kendrick sah Ludvig, den älteren der Zwillinge des Königs, der begann, ein langes, weißes Stück Stoff um seinen Kopf zu wickeln. Die anderen Krieger folgten seinem Beispiel.

Ein Krieger, der sich ihm als Naten vorgestellt hatte, und den Kendrick von Anfang an nicht gemocht hatte, ritt neben ihn. Ihm passte es nicht, Kendrick unterstellt zu sein und er verhielt sich wenig respektvoll.

Naten grinste Kendrick an als er und seine Männer näher ritten.

„Du denkst du führst die Mission weil der König dir diese Position gegeben hat. Doch du weißt nicht einmal genug, um deine Männer vor dem Sandwall zu schützen.“

Kendrick sah den Mann böse an und bemerkte einen unprovozierten Hass in seinen Augen. Zuerst hatte Kendrick angenommen, dass er sich von ihm – einem Außenseiter – bedroht gefühlt hatte – doch nun begriff er, dass dieser Mann einfach nur ein Ventil für seinen Hass brauchte.

„Gib ihm die Schals!“, schrie Koldo Naten ungeduldig zu.

Nachdem sie der Sandwand noch näher gekommen waren, warf Naten Kendrick schließlich grob einen Sack mit Schals zu.

„Verteil die an deine Männer“, sage er, „oder die Sandwand wird sie verletzen. Es ist dir überlassen – mir ist es egal.“

Naten ritt davon, zurück zu seinen Männern, und Kendrick verteilte schnell die Schals. Kendrick und die anderen folgten dem Beispiel der anderen und wickelten die Schals immer wieder um ihre Köpfe, bis sie sich sicher fühlten. Kendrick konnte gerade noch atmen und der Stoff behinderte seinen Blick – alles war verschwommen im Licht.

Als sie näher heranritten und der Klang des wirbelnden Sands immer ohrenbetäubender wurde, wappnete sich Kendrick. Fünfzig Meter von der Sandwand entfernt toste bereits der Sandsturm und trommelte an ihren Rüstungen. Einen Augenblick später spürte er ihn.

Kendrick stürzte sich in die Sandwand, und es war, als tauchte er in ein tosendes Meer aus Sand ein. Der Krach war so laut, dass er kaum das Pochen seines eigenen Herzens hören konnte. Der Sand umhüllte seinen Körper und versuchte, ihn zu zerreißen. Er konnte nicht einmal Brandt und Atme sehen, von denen er wusste, dass sie direkt neben ihm ritten.

„Reitet weiter!“, schrie Kendrick seinen Männern zu, und fragte sich dabei, ob sie ihn überhaupt hören konnten. Die Pferde wieherten und verlangsamten ihren Schritt – und Kendrick sah, dass der Sand ihnen in die Nüstern und die Augen wehte. Er gab seinem Pferd die Sporen und hoffte, dass es nicht stehenbleiben würde.

Kendrick ritt immer weiter und fürchtete schon, dass es niemals enden würde – als er endlich aus der Sandwand hervor kam. Gefolgt von seinen Männern ritt er auf der anderen Seite in die Große Wüste hinaus, wo der weite Himmel und die leere Weite sie begrüßten. Der Wind beruhigte sich, je weiter sie von der Sandwand fortritten, und Kendrick bemerkte, dass die Männer des Jochs ihn und seine Männer überrascht ansahen.

„Hast wohl nicht gedacht, dass wir durchkommen würden“, fragte Kendrick Naten, der ihn anstarrte.

Naten zuckte mit den Schultern.

„Mir ist das egal“, sagte er, und ritt zu seinen Männern.

Kendrick, Brandt und Atme tauschten Blicke aus und sie staunten wieder über diese Männer des Jochs. Kendrick spürte, dass es ein langer und harter Weg sein würde, sich ihr vertrauen zu verdienen. Schließlich waren er und seine Männer Außenseiter, und sie waren diejenigen gewesen, die die Spur hinterlassen und damit alle in Gefahr gebracht hatten.

„Seht! Da vorn!“, rief Koldo.

Kendrick blickte auf und sah vor sich die Spur, die er und die anderen hinterlassen hatten. Er sah ihre FuГџabdrГјcke, festgebacken im Sand, die zum Horizont fГјhrten.

Koldo blieb dort stehen, wo sie endeten und betrachtete die Spuren, während er und die anderen ihre Pferde verschnaufen ließen.

„Ich hätte erwartet, dass die Wüste sie weggewaschen hätte“, sagte Kendrick überrascht.

Naten sah ihn böse an.

„Diese Wüste hier wäscht nichts weg. Hier regnet es nie – und der Sand vergisst nichts. Eure Spuren hätten sie direkt zu uns geführt – und hätten zur Vernichtung des Königreichs führen können!“

„Hör auf, darauf herumzureiten“, schalt Koldo Naten mit finsterer, autoritärer Stimme.

Alle drehten sich zu Koldo um und Kendrick spГјrte eine Welle der Dankbarkeit in sich aufsteigen.

„Warum sollte ich?“, antwortete Naten. „Diese Leute haben das Problem verursacht. Ohne sie wäre ich jetzt sicher im Königreich!“

„Mach so weiter“, sagte Koldo, „und ich schicke dich sofort nach Hause. Ich kann dich von unserer Mission entbinden und du kannst dem König erklären, warum du den Kommandanten dieser Mission so respektlos behandelt hast.“

Naten verstummte und senkte den Blick und ritt auf die andere Seite der Gruppe davon.

Koldo sah Kendrick an. Es war der Blick eines Kommandanten einem gleichgestellten gegenГјber.

„Ich entschuldige mich für das Verhalten meiner Männer“, sagte er. „Ich bin sicher, dass du weißt, dass ein Kommandant nicht immer für alle seine Männer sprechen kann.“

Kendrick nickte ihm respektvoll zu und bewunderte Koldo noch mehr.

„Ist das die Spur deiner Leute?“, fragte Koldo, den Blick auf den Sand gerichtet.

Kendrick nickte.

„Scheint so, ja.“

Koldo seufzte, wandte sich um und folgte den Spuren.

„Wir folgen ihnen bis ans Ende“, sagte er. Sobald wir das Ende erreicht haben, kehren wir um und werden die Spuren verwischen.

Kendrick war irritiert.

„Doch werden wir nicht selbst eine Spur hinterlassen, wenn wir zurückkehren?“

Koldo lächelte und deutete auf etwas, was die Männer auf den Pferden mit sich trugen – es waren Gerätschaften, die aussahen wie Rechen.

„Damit kehren wir unsere Spuren weg während wir reiten“, erklärte Ludvig, der neben sie geritten kam.

Koldo lächelte.

„Damit haben wir unser Königreich seit Jahrhunderten vor unseren Feinden versteckt gehalten.“

Kendrick bestaunte das genial einfache Werkzeug bis ein Ruf ihn aus seinen Gedanken riss und er und alle Männer ihren Pferden die Sporen gaben und der Spur folgten, zurück in die Große Wüste. Unbewusst warf Kendrick einen Blick zurück auf die Sandwand und hatte dabei das Gefühl, dass sie nie wieder zurückkehren würden.




KAPITEL VIER


Erec stand mit Alistair und Strom am Bug des Schiffes und betrachtete den immer enger werdenden Fluss mit großer Sorge. Seine kleine Flotte folgte ihm – sie waren alles, was übrig war von den Schiffen, die von den Südlichen Inseln losgesegelt waren. Sie folgten dem scheinbar endlosen, sich windenden Fluss tiefer und immer tiefer ins Herz des Empire hinein. An manchen Stellen war der Fluss so breit gewesen, dass man sich wie auf dem Meer gefühlt hatte- das Ufer war nicht zu sehen gewesen und das Wasser klar; doch jetzt sah Erec, wie der Fluss immer enger wurde und das nun brackige, trübe Wasser bald kaum mehr als 20 Meter breit war.

Der Krieger in Erec war höchst alarmiert. Er mochte beengte Orte nicht, wenn er seine Männer führte, und ein schmaler Fluss würde seine Schiffe anfälliger für einen Hinterhalt. Erec blickte über seine Schulter und sah kein Zeihen der riesigen Empire-Flotte, der sie auf dem Meer entkommen waren; doch das hieß nicht, dass sie nicht irgendwo da draußen waren. Er wusste, dass sie die Verfolgung nicht aufgeben würden, bis sie ihn gefunden hatten.

Die Hände in die Hüften gestemmt wandte sich Erec um und kniff die Augen zusammen, um die triste Landschaft auf beiden Seiten des Flusses zu betrachten, die sich endlos hinzog – eine Ebene aus trockenem Sand und Felsen ohne Bäume und ohne das geringste Zeichen von Zivilisation. Erec betrachtete das Flussufer und war dankbar, dass es zumindest keine Forts oder Lager der Armee des Empire entlang des Flusses gab. Er wollte seine Flotte so schnell wie möglich flussaufwärts bringen und Gwendolyn und die anderen finden, sie befreien und so schnell wie möglich wieder verschwinden. Er würde sie zurück über das Meer in die Sicherheit der Südlichen Inseln bringen, wo er sie schützen konnte. Er wollte keine Ablenkungen auf dem Weg.

Doch andererseits machte ihm die Stille und die Leere Sorgen: Verbarg sich der Feind nicht doch irgendwo da drauГџen und wartete nur darauf, anzugreifen?

Erec wusste, dass da draußen noch eine viel größere Gefahr lauerte als ein drohender feindlicher Angriff – es war der Hunger. Und das war eine viel dringendere Sorge. Sie durchquerte ein unfruchtbares Ödland und ihre Vorräte waren so gut wie aufgebraucht.

Während Erec den Blick schweifen ließ, spürte er seinen Magen knurren, da er und die anderen schon viel zu lange ihre Vorräte rationiert hatten und mit einer Mahlzeit pro Tag auskamen. Er wusste, dass sie bald ein großes Problem haben würden, wenn sie nicht bald etwas Essbares am Ufer finden würden. Er fragte sich, ob dieser Fluss jemals enden würde. Was, wenn sie Volusia niemals fanden?

Und schlimmer noch: was,  wenn Gwendolyn und die anderen nicht mehr dort waren? Oder womöglich schon tot?

„Noch einer!“, rief Strom.

Erec drehte sich um und sah, wie einer seiner Männer eine Angel aus dem Wasser zerrte, und einen leuchtend gelben Fisch an Deck warf. Der Fisch hüpfte über Deck, bis der Seemann ihm auf den Schwanz trat, und Erec und die anderen sammelten sich drum herum, um den Fisch zu betrachten. Er schüttelte enttäuscht den Kopf: zwei Köpfe. Wieder einer dieser giftigen Fische, die sie im Fluss gefunden hatten.

„Dieser Fluss ist verflucht“, sagte der Fischer und warf seine Angel wieder aus.

Erec ging zurück zur Reling und betrachtete enttäuscht das Wasser. Er drehte sich um, als er spürte, dass Strom neben ihn getreten war.

„Was, wenn der Fluss uns nicht nach Volusia bringt?“, fragte Strom

Erec sah die Sorge im Gesicht seines Bruders und teilte sie.

„Er wird uns schon irgendwohin bringen“ antwortete Erec. „Zumindest bringt er uns in Richtung Norden. Wenn nicht nach Volusia, werden wir das Land zu Fuß überqueren und den Weg dorthin schon finden.“

„Sollten wir die Schiffe aufgeben? Wie sollen wir dann je von hier weg und zurück auf die Südlichen Inseln kommen?“

Erec schГјttelte langsam den Kopf und seufzte.

„Vielleicht kehren wir nicht zurück“, antwortete er ehrlich. „Keine ehrenvolle Mission ist sicher. Hat das dich oder mich je davon abgehalten?“

Strom wandte sich ihm zu und lächelte.

„Dafür leben wir“, antwortete er.

Erec lächelte seinen Bruder an und drehte sich um, als er aus dem Augenwinkel Alistair sah, die sich ihnen von der anderen Seite näherte. Sie legte ihre Hände auf die Reling und blickte auf den Fluss hinaus, der immer schmaler wurde. Ihre Augen waren glasig und wirkten abwesend, und Erec konnte spüren, dass sie in einer anderen Welt war. Er hatte bemerkt, dass sich noch etwas anderes an ihr verändert hatte = doch er war sich nicht sicher, was es war, als ob sie ein Geheimnis hütete. Er wollte sie so gerne fragen, doch er wollte nicht neugierig erscheinen.

Ein Chor von Hörnern erklang und Erec fuhr erschrocken herum und blickte zurück. Sein Herz blieb beinahe stehen, als er es sah.

„SIE KOMMEN SCHNELL NÄHER!“, rief einer der Seeleute vom Ausguck und wies aufgeregt in ihre Richtung.

„DIE EMPIRE-FLOTTE!“

Erec rannte über Deck ans Heck vorbei an seinen Männern, die ihre Waffen bereit machten.

Erec erreichte das Heck und sah sich um. Es war wahr: dort, an der Biegung des Flusses, nur wenige hundert Meter entfernt, war eine Reihe von Empire-Schiffen unter schwarz-goldenen Segeln.

„Sie müssen unsere Spur gefunden haben“, sagte Strom, der neben ihn getreten war.

Erec schГјttelte den Kopf.

„Sie sind uns die ganze Zeit über gefolgt“, erkannte er. „Sie haben nur Abstand gehalten und abgewartet, sich zu zeigen.“

„Worauf haben sie gewartet?“, wollte Strom wissen.

Erec blickte über seine Schulter stromaufwärts.

„Darauf“, sagte er.

Strom drehte sich um und betrachtete den Fluss, der immer schmaler wurde.

„Sie haben gewartet, bis wir zum engsten Punkt des Flusses gekommen sind“, sagte Erec. „Sie haben gewartet, bis wir ein Schiff nach dem anderen Segeln mussten, und zu weit vorgedrungen waren, um umzukehren. Wir sind jetzt genau dort, wo sie uns haben wollen.“

Erec warf einen Blick auf seine Flotte und konzentrierte sich, so wie immer, wenn er seine Männer führte und eine Krise drohte. Er spürte, wie ein weiterer Sinn aktiv wurde und hatte eine Idee.

Erec wandte sich seinem Bruder zu.

„Geh auf das Schiff neben uns“, befahl er. „Lass dich nach hinten zurückfallen, bis du das letzte Schiff der Flotte bist. Sorge dann dafür, dass alle Männer auf das Schiff davor gehen. Verstehst du mich? Verlasst das Schiff, und wenn es leer ist, bist du der letzte Mann, der von Bord geht.“

Strom sah ihn verwirrt an.

„Wenn das Schiff leer ist?“, wiederholte er. „Ich verstehe dich nicht.“

„Ich habe vor, es zu aufzugeben“

„Es aufzugeben?“, fragte Strom irritiert.

Erec nickte.

„An der engsten Stelle wirst du das Schiff beidrehen und es verlassen. Es wird den Fluss blockieren und uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen. Niemand wird uns folgen können. Und jetzt geh!“, schrie Erec.

Strom beeilte sich, den Befehlen seines Bruders zu folgen. Strom sprang von der Reling an Deck des anderen Schiffs. Als er dort landete, begann er, Befehle zu bellen und die Männer sprangen einer nach dem anderen auf Erecs Schiff.

Erec machte sich Sorgen als er sah, wie die Schiffe auseinanderzutreiben begannen.

„An die Seile!“, rief Erec seinen Männern zu. „Benutzt die Enterhaken um die Schiffe nah beieinander zu halten!“

Seine Männer folgten seinem Befehl, warfen die Enterhaken, und zerrten mit aller Macht an den Seilen, um die Schiffe nicht weiter auseinandertreiben zu lassen. Es beschleunigte den Prozess erheblich, und immer mehr Männer sprangen von Bord und ergriffen dabei hastig ihre Waffen. Strom schrie befehle und sorgte dafür, dass alle das Schiff verließen.

Strom sah Erec an und Erec nickte ihm zu.

„Was ist mit den Vorräten an Bord?“, schrie Strom über den Krach hinweg. „Und den Waffen?“

Erec schГјttelte den Kopf.

„Vergiss sie“, rief er „Lass dich zurückfallen und das Schiff auf Grund laufen.“

Erec drehte sich um und rannte zurГјck an den Bug. Konzentriert fГјhrte er seine Flotte durch die Engstelle.

„Eins nach dem anderen!“

All seine Schiffe reihten sich hinter ihm ein, als sie die engste Stelle des Flusses passierten. Erec segelte mit seiner Flotte hindurch und warf einen Blick zurück auf die Flotte des Empire, die schnell näher kam, und jetzt kaum mehr als 100 Meter entfernt war. Er sah, wie hunderte von Bogenschützen auf den Empire-Schiffen sich bereit machten und die Pfeile anzündeten.

Er wusste, dass sie fast in Reichweite waren. Sie hatten keine Zeit zu verlieren.

„JETZT!“, schrie Erec Strom zu, als Stroms Schiff als letztes der Flotte in die Engstelle einfuhr.

Strom, der auf das Signal gewartet hatte, hob sein Schwert und trennte die Hälfte der Seile durch, die sein Schiff mit dem von Erec verbanden, und sprang hinüber zu Erecs Schiff. Sofort begann es, steuerlos zu straucheln.

„DREHT ES BEI!“, befahl Erec seinen Männer.

Seine Männer zerrte an den noch verbliebenen Seilen bis das Schiff knarzend langsam gegen die Strömung beidrehte und auf die Felsen auflief. Ächzend und Stöhnend unter dem Druck des Wassers, begann das Holz zu splittern.

„ZIEHT FESTER!“, schrie Erec.

Sie zogen und zerrten und Erec schloss sich ihnen an. Langsam bekam das Schiff Schlagseite und neigte sich auf beiden Seiten des felsigen Ufers.

Als das Schiff schlieГџlich fest auf Grund gelaufen liegenblieb, war Erec schlieГџlich zufrieden.

„KAPPT DIE SEILE!“, schrie er. Er wusste, es war jetzt oder nie, denn er spürte, wie sein Schiff sich zu neigen begann.

Erecs Männer trennten die verbliebenen Seile durch und befreiten ihr Schiff – keinen Augenblick zu früh.

Das verlassene Schiff knarzte und ächzte und das Wrack blockierte den Fluss, als sich einen Augenblick später der Himmel dunkelt färbte und sich ein Regen von Pfeilen auf Erecs Flotte herabsenkte.

Erec hatte seine Männer gerade rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht: die Pfeile regneten auf das verlassene Schiff nieder, kaum zehn Meter von seinem entfernt, und schufen ein brennendes Hindernis, das die Flotte des Empire nicht überwinden konnte.

„Volle Segel voraus!“, schrie Erec.

Seine Flotte segelte unter vollen Segeln mit RГјckenwind den Fluss hinauf, und entfernte sich von der Blockade weiter in Richtung Norden. Eine weitere Salve von Pfeilen regnete zischend hinter dem Heck von Erecs Schiff herab ohne zu treffen.

Während sie weitersegelten, stand Erec am Heck und sah zufrieden die Empire-Flotte, die an nicht an der brennenden Barrikade vorbei kam. Eines der Schiffe versuchte sogar, die Barrikade zu rammen – doch ohne Erfolg – es fing lediglich Feuer: Hunderte von Empire-Kriegern schrien umgeben von Flammen auf und sprangen über Bord als ihr brennendes Schiff eine noch weitaus größere Blockade schuf.

Erec war sich sicher, dass es mehrere Tage dauern würde, bevor das Empire die Schiffswracks räumen und den Fluss wieder befahrbar machen konnte.

Er spürte eine starke Hand auf seiner Schulter und sah Strom, der lächelnd neben ihn getreten war.

„Eine deiner kreativeren Strategien“, sagte er.

Erec lächelte ihn an.

„Gut gemacht“, antwortete er und wandte seinen Blick wieder flussaufwärts. Er konnte sich noch nicht entspannen. Sie hatten diese Schlacht gewonnen – doch wer konnte schon wissen, welche Hindernisse noch vor ihnen lagen?




KAPITEL FГњNF


Volusia, ganz in Gold gekleidet, stand hoch oben auf dem Podium und blickte die hundert goldenen Stufen hinab, di sie als eine Ode an sich selbst hatte errichten lassen, streckte ihre Arme aus und genoss den Augenblick. Soweit sie sehen konnte, waren die Straßen der Hauptstadt mit Bürgern des Empire gefüllt, die sich unter ihre Krieger mischten, all ihre neuen Adoranten, die sich vor ihr verneigten und mit ihren Köpfen im Licht des Sonnenaufgangs den Boden berührten. Alle sangen sie gemeinsam einen leisen, anhaltenden Rhythmus und nahmen an der Morgenanbetung teil, die sie ins Leben gerufen hatte. Ihre Minister und Generäle hatten die Bürger informiert – sie hatten die Wahl: Anbetung oder Tod. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie sie im Augenblick nur anbeteten, weil sie keine Wahl hatten – doch bald würden sie es tun, weil sie es nicht anders kannten.

„Volusia, Volusia, Volusia“, sangen sie. „Göttin der Sonne und Göttin der Sterne. Mutter der Meere und Botin der Sonne“

Volusia sah sich um und bestaunte ihre neue Stadt. Überall waren goldene Statuen von ihr aufgestellt worden, so wie sie es ihren Männern befohlen hatte. In jedem Winkel der Hauptstadt stand ein goldenes Bildnis der neuen Göttin; wo immer man auch hinblickte, man musste sie sehen und sie anbeten.

Endlich war sie zufrieden. Endlich, war sie die Göttin, die das Schicksal sie zu sein auserkoren hatte.

Der Gesang erfüllte die Straßen genauso wie der Weihrauch, der auf jedem Altar für sie verbrannt wurde. Männer, Frauen und Kinder füllten die Straßen, verneigten sich Schulter an Schulter vor ihr, und sie hatte das Gefühl, dass sie es verdient hatte. Es war ein langer, harter Weg hierher gewesen, doch sie war ihn bis zur Hauptstadt gegangen, hatte sie eingenommen und die Armee des Empire, die sich ihr widersetzt hatte vernichtet. Jetzt, endlich, gehörte die Hauptstadt ihr.

Das Empire gehörte ihr.

Natürlich waren ihre Ratgeber anderer Meinung, doch Volusia interessierte sich nicht sonderlich dafür. Sie wusste, dass sie unbesiegbar war, irgendwo zwischen Himmel und Erde, und keine Macht dieser Welt konnte sie zerstören. Sie wusste, dass das erst der Anfang war. Sie wollte noch mehr Macht. Sie hatte vor, jedes Horn und jede Spitze des Empire zu besuchen und alle zu vernichten, die sich ihr widersetzen und ihre Alleinherrschaft nicht akzeptieren wollten. Sie würde eine immer größere Armee um sich scharen, bis sich jeder Winkel des Empire ihr unterwarf.

Bereit, den Tag zu beginnen, stieg Volusia langsam vom Podium herab, eine goldene Stufe nach der anderen. Sie streckte ihre Hände aus und die Bürger drängten sich vor, die Hände der lebenden Göttin, die unter ihnen wandelte, zu berühren. Einige der betenden ließen sich weinend vor ihr zu Boden fallen und bildeten einen Teppich, über den sie nur zu gerne ging. Endlich hatte sie ihr Volk. Und jetzt war es an der Zeit, in den Krieg zu ziehen.


*

Volusia stand hoch oben auf den Befestigungsanlagen die die Hauptstadt umgaben und spähte mit schicksalsschwangerem Gefühl zum Himmel über der Wüste hinauf.

Als sie den Blick senkte, sah sie überall die kopflosen Leichen der Männer, die sie getötet hatte – und darüber die Geier, die sich um ihr Fleisch stritten.

Die sanfte Brise auf den Zinnen trug den Gestank der Verwesung herüber. Das Gemetzel ließ sie lächeln. Diese Männer hatten gewagt, sich ihr zu widersetzen – und sie hatten den Preis dafür gezahlt.

„Sollten wir die Toten nicht begraben, meine Göttin?“, fragte eine Stimme.

Volusia sah sich um, und sah den neuen Kommandanten ihrer Armeen, Rory, einen Menschen, breitschultrig, muskulös und ausgesprochen gutaussehend. Sie hatte ihn ausgewählt, ihn über die anderen Generäle erhoben, denn er gefiel ihr – doch der entscheidende Grund war, dass er ein brillanter Kommandant war und bereit war, um jeden Preis zu siegen – genau wie sie.

„Nein“, antwortete sie ohne ihn anzusehen. „Ich will, dass sie unter der Sonne verrotten und die wilden Tiere sich an ihrem Fleisch laben. Ich will, dass alle hier wissen, was geschieht, wenn man sich der Göttin Volusia widersetzte.“

Er lieГџ den Blick Гјber die Landschaft schweifen und schauderte.

„Wie Ihr wünscht, meine Göttin“, antwortete er.

Volusia betrachtete den Horizont als Koolian, ihr Zauberer, neben sie trat. Die Kapuze seines schwarzen Umhangs verdeckten die leuchtend grГјnen Augen und das warzige Gesicht der Kreatur, die ihr geholfen hatte, ihre Mutter umzubringen. Er war eines der wenigen Mitglieder ihres inneren Kreises, dem sie noch vertraute.

„Du weißt, dass sie da draußen sind“, erinnerte er sie sie. „Dass sie kommen werden. Ich kann sie schon spüren.“

„Ich auch“, sagte sie schließlich.

„Die Ritter der Sieben sind sehr mächtig, meine Göttin“, sagte Koolian. „Sie reisen mit einer Armee von Magiern – eine Armee, die selbst du nicht bezwingen kannst.“

„Und vergesst nicht Romulus Männer“, fügte Rory hinzu. „Den Berichten nach ist seine Million Mann starke Armee bereits an der Küste.“

Volusia starrte in die Weite hinaus und ließ die Stille in der Luft hängen, die nur vom Heulen des Windes unterbrochen wurde.

SchlieГџlich sagte Rory.

„Ihr wisst, dass wir die Stadt nicht halten können. Hier zu bleiben bedeutet unser aller Tod. Wie lautet dein Befehl, Göttin? Sollen wir fliehen? Oder Kapitulieren?“

Volusia wandte sich ihm zu und lächelte.

„Wir werden feiern“, sagte sie.

„Feiern?“, fragte er schockiert.

„Ja, wir werden feiern“, sagte sie. „Bis zum Ende. Verstärkt die Tore der Stadt und öffnet die große Arena. Ich erkläre hundert Tage der Feierlichkeiten und der Spiele. Vielleicht werden wir sterben“, schloss sie lächelnd, „doch wir werden es mit einem Lächeln auf den Lippen tun.“




KAPITEL SECHS


Godfrey rannte durch die Straßen von Volusia. Gemeinsam mit Ario, Merek, Akorth und Fulton eilten Sie zum Stadttor bevor es zu spät war. Er war immer noch in Hochstimmung nach seiner Sabotage in der Arena, wo es ihm gelungen war einen Elefanten zu vergiften, und Dray zu Darius zu schicken, als er ihn am meisten gebraucht hatte. Dank seiner Hilfe und der Hilfe der Finianerin, Silis, hatte Darius gesiegt; Godfrey hatte das Leben seines Freundes gerettet, und es nahm ihm zumindest ein wenig der Last der Schuldgefühle von seinen Schultern. Natürlich handelte Godfrey aus dem Schatten heraus, wo er am besten war, denn Darius hätte aus dem unfairen Kampf selbst mit noch so viel Tapferkeit und Talent nicht als Sieger hervorgehen können – doch er hatte seinen Beitrag geleistet.

Doch jetzt ging alles schief; Godfrey hatte erwartet, dass er nach den Spielen Darius am Tor der Arena antreffen würde, um ihn befreien zu können. Er hatte nicht erwartet, dass Darius aus dem rückseitigen Tor hinausgebracht und durch die Stadt geführt werden würde. Nach seinem Sieg hatte die Menge der Zuschauer seinen Namen gerufen und die Zuchtmeister hatten sich von seiner Popularität bedroht gefühlt. Sie hatten einen Helden erschaffen, und sich dazu entschlossen, ihn so schnell wie möglich aus der Stadt heraus und zur Arena in der Hauptstadt zu bringen, bevor er eine Revolution auslösen konnte.

Jetzt rannten Godfrey und die anderen verzweifelt hinterher, um Darius zu erreichen, bevor er die Stadttore verließ und es zu spät war. Die Straße zur Hauptstadt war lang. Sie führte durch die Große Wüste und war streng bewacht; wenn er erst einmal die Stadt verlassen hatte, gab es für Godfrey keinen Weg, ihm zu helfen – und er musste ihn retten, sonst waren all seine Bemühungen umsonst gewesen.

Godfrey eilte schwer atmend durch die StraГџen und Merek und Ario trieben Akorth und Fulton an, die keuchend hinter ihnen her stolperten.

„Komm weiter“, drängte Merek Fulton und zog ihn am Arm. Ario versetzte Akorth einen Stoß als er langsamer wurde und stöhnend lief er weiter.

Godfrey spürte, wie der Schweiß seinen Rücken hinunter lief, und wieder einmal verfluchte er jeden einzelnen Krug mit Bier, den er in den letzten Monden getrunken hatte. Doch der Gedanke an Darius zwang seine schmerzenden Beine weiterzulaufen, eine Straße nach der anderen entlang, bis sie schließlich durch ein großes steinernes Tor auf einem großen Platz ankamen. Etwa hundert Meter entfernt ragte das imposante Stadttor in die Höhe. Als Godfrey sah, wie die Riegel geöffnet wurden entfuhr ihm ein Schrei.

„NEIN!“

Von Panik ergriffen sah er zu, wie Darius Kutsche, ein Käfig auf Rädern, schwer bewacht von Empire-Kriegern, durch die offenen Tore rollte. Godfrey rannte schneller.

„Das schaffen wir nicht“, sagte Merek, die Stimme der Vernunft, und legte ihm die Hand auf den Arm.

Doch Godfrey schüttelte sie ab und rannte. Er wusste, dass es hoffnungslos war – die Kutsche war zu weit weg, zu gut bewacht, zu massiv – und doch rannte er, bis er nicht mehr konnte.

Er stand mitten auf dem Platz, beugte sich vornüber und keuchte, während Merek ihn zurückhielt.

„Wir können ihn nicht im Stich lassen!“, jammerte er.

Ario schГјttelte den Kopf als er neben ihn trat.

„Er ist schon fort“, sagte er. „Wir müssen es ein andermal versuchen.“

„Wir werden ihn schon irgendwie zurückbekommen“, fügte Merek hinzu.

„Aber wie?“, fragte Godfrey verzweifelt.

Keiner von ihnen hatte eine Antwort als alle dastanden und zusahen, wie das Fallgitter hinter Darius herunterratterte.

Er konnte Darius Kutsche auf der Straße zur Hauptstadt durch das Gitter sehen. Die Staubwolke hinter der Kutsche ließ sie bald ganz aus dem Blick verschwinden, und Godfreys Herz brach – er hatte das Gefühl die letzte Person, die ihm etwas bedeutete, im Stich gelassen und seine eine Hoffnung auf Wiedergutmachung verloren zu haben.

Die Stille wurde vom aufgeregten Bellen eines Hundes zerrissen und Godfrey sah Dray aus einer Gasse kommen, der wild bellend und knurrend hinter seinem Herrn her rannte. Auch er wollte Darius retten, und als er das eiserne Fallgitter erreichte, sprang er dagegen, biss hinein und riss wГјtend daran.

Godfrey bemerkte erschrocken die Blicke der Wachen. Einer zog sein Schwert und ging auf den Hund zu – er wollte ihn offensichtlich töten.

Godfrey wusste nicht, was Гјber ihn gekommen war, doch etwas in ihm Гјbernahm die Kontrolle. Es war zu viel fГјr ihn. Er konnte nicht noch mehr Ungerechtigkeit ertragen. Wenn er Darius schon nicht retten konnte, musste er wenigsten seinen geliebten Hund retten.

Godfrey hörte sich schreien und sah, wie er losrannte, als beobachtete er sich selbst von außerhalb seines Körpers. Mit einem unwirklichen Gefühl zog er sein Schwert und stürmte auf die arglose Wache zu. Als sich die Wache umdrehte, sah er, wie er ihr das Schwert ins Herz stieß.

Der riesige Empire-Krieger sah ungläubig zu Godfrey hinunter und riss seine Augen auf. Dann fiel er tot zu Boden.

Godfrey hörte einen Schrei und sah zwei Wachen auf sich zukommen. Sie rissen ihre Waffen hoch, und er wusste, dass er ihnen nicht gewachsen war. Er würde hier, an diesem Tor sterben – doch zumindest würde er in noblem Streben sterben.

Godfrey hörte ein Knurren und sah aus dem Augenwinkel, wie Dray sich auf die Wache über Godfrey stürzte. Er bohrte seine Zähne in den Hals des Mannes, warf ihn zu Boden und riss an seinem Hals bis er sich nicht mehr rührte.

Zur gleichen Zeit stürmten Merek und Ario vor und rammten ihre kurzen Schwerter der anderen Wache in den Bauch, die Godfrey von hinten angriff. Gemeinsam töten sie sie, bevor sie Hand an Godfrey legen konnte.

Schweigend standen sie da und Godfrey betrachtete das BlutvergieГџen, geschockt darГјber, was er gerade getan hatte, geschockt Гјber seinen eigenen Mut, als Dray zu ihm herГјberkam und ihm die Hand leckte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du zu sowas in der Lage bist“, sagte Merek bewundernd.

Godfrey stand sprachlos da.

„Ich selbst wusste es auch nicht. Ich bin mir nicht sicher was ich da gerade getan habe“, sagte er, und meinte es auch so, denn alles, was gerade geschehen war, war wie im Nebel. Er hatte nicht handeln wollen – er hatte es einfach getan. Er fragte sich, ob es trotzdem eine mutige Tat gewesen war.

Akorth und Fulton sahen sich Г¤ngstlich nach weiteren Empire-Kriegern um.

„Wir müssen hier weg!“, zeterte Akorth. „Sofort!“

Godfrey spГјrte, wie er geschoben und gezogen wurde. Er drehte sich um und folgte mit Dray den anderen, weg vom Tor, zurГјck nach Volusia und auf ein Schicksal zu, das nur Gott allein kannte.




KAPITEL SIEBEN


Darius lehnte sich gegen die eisernen Gitterstäbe. Seine Handgelenke waren mit Ketten an seine Füße gefesselt und sein Körper war übersäet mit Wunden und blauen Flecken, und ein Gefühl bleierner Schwere lag auf ihm. Während die Kutsche über die holprige Straße schaukelte, sah er durch die Gitterstäbe hindurch zum Himmel und fühlte sich verloren. Die Kutsche fuhr durch eine endlose, öde Landschaft die sich bis zum Horizont erstreckte. Es sah aus, als ob er am Ende der Welt angekommen war.

Das Dach der Kutsche bot ihm Schatten, doch die Sonne fiel durch die Gitterstäbe und er spürte die erdrückende Hitze der Wüste in Wellen aufsteigen, die ihn selbst im Schatten schwitzen ließ und ihm zu schaffen machte.

Doch Darius war alles egal. Sein Körper schmerzte und brannte vom Kopf bis zu den Zehen. Er konnte kaum seine Gliedmaßen bewegen, erschöpft von den Tagen endloser Kämpfe in der Arena. Unfähig zu schlafen, schloss er seine Augen und versuchte, die Erinnerungen zu verscheuchen, doch jedes Mal, wenn er es tat, sah er seine Freunde sterben – Desmond, Raj, Luci und Kaz. Sie waren alle gestorben, damit er leben konnte.

Er war der Sieger, hatte das Unmögliche erreicht – und doch bedeutete es ihm nichts. Er wusste, dass der Tod auf ihn wartete. Seine Belohnung war es, in die Hauptstadt verfrachtet zu werden, um in einer größeren Arena mit noch schlimmeren Gegnern zum Spektakel für die Massen zu werden. Die Belohnung für all das, für all seine Tapferkeit, würde letzten Endes der Tod sein.

Darius wäre lieber sofort gestorben als all das noch einmal durchzumachen. Doch er war nicht einmal dazu in der Lage – er war gefesselt, hilflos. Wie viel länger würde diese Qual noch andauern? Musste er zusehen, wie alles und jeder, den er liebte, starb, bevor er selbst sterben durfte?

Darius schloss wieder seine Augen, verzweifelt, die Erinnerungen auszulöschen, doch diesmal begegneten ihm Erinnerungen aus frühster Kindheit. Er spielte vor der Hütte seines Großvaters und wirbelte einen Stab herum. Er schlug immer wieder auf einen Baum ein, bis sein Großvater ihm schließlich den Stab abnahm.

„Hör auf mit Stöcken zu spielen“, hatte sein Großvater ihn gescholten. „Oder willst du die Aufmerksamkeit des Empire auf dich ziehen? Willst du, dass sie dich für einen Krieger halten?“

Sein Großvater zerbrach den Stock über seinem Knie und Darius hatte vor Wut gekocht. Das war mehr als ein Stock: das war sein allmächtiger Stab gewesen, die einzige Waffe, die er besaß. Der Stab hatte ihm alles bedeutet.

Ja, ich will, dass sie wissen, dass ich ein Krieger bin. DafГјr will ich im Leben bekannt werden, hatte Darius gedacht.

Doch als sein Großvater sich abwandte und davonging, war er zu verängstigt gewesen, es laut auszusprechen.

Darius hatte den zerbrochenen Stab aufgehoben und die Stücke in Händen gehalten, und Tränen waren ihm dabei über die Wangen gelaufen. Eines Tages, hatte er geschworen, würde er Rache für alles nehmen – sein Leben, sein Dorf, ihre Situation, das Empire und alles, worüber er keine Kontrolle hatte.

Er wГјrde sie alle vernichten. Und er wГјrde als Krieger bekannt werden.


*

Darius wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er erwachte, doch er bemerkte sofort, dass das grelle Licht des Morgens dem gedämpften Orange des Nachmittags kurz vor Sonnenuntergang gewichen war. Es war auch deutlich kühler. Seine Gliedmaßen waren steif und es viel ihm schwer, seine Position in der unbequemen Kutsche zu verändern. Die Pferde zuckelten endlos über den harten Wüstenboden und er hatte das Gefühl, dass die Gitterstäbe ihm unaufhörlich gegen den Schädel schlugen, was seinen Kopf vor Schmerz beinahe bersten ließ. Er rieb sich den Staub aus den Augen und fragte sich, wie weit es noch bis zur Hauptstadt war. Er hatte das Gefühl, als wären sie bereits jetzt bis ans Ende der Erde gereist.

Er blinzelte und sah sich um, und erwartete wie zuvorВ  nur einen leeren Horizont und die endlose Weite der WГјste zu sehen. Doch diesmal war er Гјberrascht, etwas anderes zu sehen. Zum ersten Mal richtete er sich auf.

Die Kutsche fuhr langsamer und das Donnern der Hufe wurde leiser. Die StraГџe wurde ebener, und als er die Landschaft betrachtete, sah er etwas, was er nie vergessen wГјrde: mitten aus der WГјste erhob sich die gigantische Stadtmauer gen Himmel, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schien. Auf den Zinnen standen zahllose Empire-Krieger, und Darius wusste sofort, dass das die Hauptstadt war.

Die Musik der Straße veränderte sich zu einem hohlen, hölzernen Klang, und Darius sah, dass die Kutsche über eine Zugbrücke fuhr. Sie passierten hunderte von Kriegern, die auf der Brücke Wache standen und alle Haltung annahmen, als sie vorbeifuhren.

Ein lautes, metallisches Ächzen erklang und Darius sah, wie sich die riesigen goldenen Tore öffneten, als ob sie ihn verschlingen wollten. Hinter den Toren sah er das Glitzern der Stadt, schöner und großartiger als alles, was er bisher gesehen hatte. Doch ohne jeden Zweifel wusste er, dass es aus dieser Stad kein Entrinnen gab. Wie um seine Gedanken zu bestätigen, hörte Darius ein fernes Donnern, und erkannte es sofort; es war das Brüllen der Massen in der Arena, jener Arena, in der er dem Tod begegnen würde. Er hatte keine Angst davor, er betete nur zu Gott, dass er kämpfend mit dem Schwert in der Hand bei einem letzten Akt der Tapferkeit sterben durfte.




KAPITEL ACHT


Mit zitternden Händen zog Thorgrin ein letztes Mal am goldenen Seil. Angel klammerte sich an seinem Rücken fest und Schweiß lief ihm über das Gesicht als er endlich die Klippe überwunden hatte und sich auf die Knie fallen ließ, um wieder zu Atem zu kommen. Er drehte sich um und sah hunderte von Metern unter sich sein Schiff, das auf den Wellen tanzte und von hier oben winzig klein aussah. Er hörte das Stöhnen seiner Freunde, und als er sich umsah, sah er Reece und Selese, Elden und Indra, O’Connor und Matus, die sich ebenfalls über den Rand der Klippen der Insel des Lichts zogen.

Thor kniete mit müden Muskeln am Boden und sah sich um. Seine dunkle Vorahnung wurde stärker. Bevor er den schrecklichen Anblick sah, konnte er das Feuer riechen, dessen Qualm dick in der Luft lag, und die Asche schmecken. Er spürte die Hitze der immer noch schwelenden Glut, sah die Zerstörung, die die Kreaturen angerichtet hatten.

Die Insel war schwarz, verbrannt, zerstört, und von allem, was so idyllisch gewesen war, so uneinnehmbar, war nur noch Asche übrig.

Thorgrin rappelte sich auf und rief, während er über die schwelenden Hügel rannte. „GUWAYNE!“

Seine Stimme wurde von den sanften HГјgeln zurГјckgeworfen, gerade so, als ob sie ihn verspotteten. Die Antwort war Schweigen.

Von irgendwo weit über ihm hörte er ein Kreischen, und als Thor aufblickte, sah er Lycoples, die ihre Kreise über ihnen zog. Sie tauchte zu ihm hinunter und flog dann auf die Mitte der Insel zu. Thor spürte, dass sie ihn zu seinem Sohn führte.

Thor rannte los, dicht gefolgt von den anderen. Während sie über die verbrannte Erde liefen, sahen sie sich suchend um.

„GUWAYNE!“, rief er wieder. „RAGON!“

Als Thor die Zerstörung der verkohlten Landschaft betrachtete, wuchs seine Überzeugung, dass hier nichts überlebt haben konnte. Diese sanften Hügel, einst so reich bewachsen mit Gras uns Bäumen, waren nun schwarz, verkohlt. Thor fragte sich, welche Kreaturen außer Drachen einen solchen Schaden anrichten konnten – und was noch viel wichtiger war, wer sie kontrollierte, wer sie hierher geschickt hatte – und warum. Warum war sein Sohn jemandem so wichtig, dass er eine ganze Armee auf ihn hetzte?

Thor blickte zum Horizont, hoffte darauf, ein Zeichen von Guwayne oder Ragon zu sehen, doch da war nichts. Stattdessen sah er nur hier und da ein Feuer, das noch nicht verloschen war.

Er wollte glauben, dass Guwayne irgendwie all das überlebt hatte. Doch er wusste nicht, wie. Wenn ein Zauberer, der so mächtig war wie Ragon, diese Mächte nicht aufhalten konnte, wie sollte er dann seinen Sohn beschützen?

Zum ersten Mal, seitdem er sich auf die Suche gemacht hatte, begann er, die Hoffnung zu verlieren.

Sie rannten immer weiter über die Hügel, und als sie die Spitze eines besonders hohen Hügels erreicht hatten, wies O’Connor aufgeregt mit dem Finger.

„Dort!“, rief er.

O’Connor deutete auf die Überreste eines alten Baumes, dessen Äste nun vom Feuer geschwärzt waren.

Als Thor genauer hinsah, sah er eine regungslose Gestalt darunter liegen. Er spürte sofort, dass es Ragon war – doch da war keine Spur von Guwayne.

Thor rannte voller Angst auf ihn zu und ließ sich neben ihn auf die Knie fallen. Hektisch sah er sich nach Guwayne um. Er hoffte, dass er ihn vielleicht verborgen unter Ragons Mantel finden würde, oder vielleicht in der Nähe, in einer Felsspalte.

Doch er war nirgendwo zu finden.

Thor drehte Ragon vorsichtig um. Sein Mantel war vom Ruß geschwärzt und er betete, dass er noch am Leben war. Als Ragons Augenlider flatterten, schöpfte Thor Hoffnung. Er schob seine Kapuze beiseite und erschrak, als er Ragons vom Feuer entstelltes Gesicht sah.

Ragon begann zu keuchen und hustete, und Thor konnte sehen, dass er um sein Leben kämpfte. Er war am Boden zerstört vom Leid, das er sah, dieser schöne Mann, der so gut zu ihnen gewesen war, sterbend, entstellt von den Flammen. Er musste Guwayne bis zuletzt verteidigt haben. Thor fühlte sich verantwortlich dafür.

„Ragon“, sagte er, und die Worte blieben ihm dabei fast im Hals stecken, „vergib mir.“

„Ich bin es, der um deine Vergebung bitten muss“, sagte Ragon mit heiserer Stimme. Er musste husten, bevor er fortfahren konnte. „Guwayne“, begann er und verstummte.

Thors Herz hämmerte in seiner Brust. Er wollte die folgenden Worte nicht hören, denn er rechnete mit dem Schlimmsten.

Wie sollte er jemals Gwendolyn wieder gegenГјbertreten?

„Sag mir“, bettelte Thor und legte Thor die Hände auf die Schultern. „Ist mein Junge noch am Leben?“

Ragon keuchte und versuchte zu Atem zu kommen. Thor bedeutete O’Connor, ihm den Wasserschlauch zu reichen; dann träufelte er vorsichtig etwas Wasser in den Mund und Ragon trank gierig. Er hustete wieder.

SchlieГџlich schГјttelte er den Kopf.

„Schlimmer“, sagte Ragon, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Der Tod wäre eine Gnade für ihn gewesen.“

Ragon verstummte und Thor bebte vor Anspannung während er darauf wartete, dass er wieder zu sprechen begann.

„Sie haben ihn mitgenommen“, fuhr er schließlich fort. „Sie haben ihn aus meinen Armen gerissen. Sie sind nur wegen ihm gekommen.“

Thor erstarrte, als er hörte, dass diese bösen Kreaturen sein Kind verschleppt hatten.

„Aber… wer war es?“, fragte Thor. „Wer steckt dahinter? Wer ist so mächtig, dir das anzutun? Ich dachte, dass deine Macht genau wie die von Argon nicht von Kreaturen dieser Welt bezwungen werden kann.“

Ragon nickte.

„Nicht von Kreaturen von dieser Welt“, sagte er. „Doch sie waren nicht von dieser Welt. Sie kamen nicht aus der Hölle, sondern von einem Ort, der noch viel finsterer ist: aus dem Land des Blutes.“

„Das Land des Blutes?“, fragte Thor irritiert. „Ich bin durch die Hölle gegangen“, fügte Thor hinzu. „Welcher Ort kann finsterer sein als die Hölle?“

Ragon schГјttelte den Kopf.

„Das Land des Blutes ist mehr als nur ein Ort. Es ist ein Zustand. Das Böse dort ist finsterer und mächtiger als alles, was du dir vorstellen kannst. Es ist das Land des Lord des Blutes, und über die Generationen ist es immer finsterer und mächtiger geworden. Es herrscht Krieg zwischen den Reichen. Der uralte Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis, dem Bösen. Sie wetteifern um die Macht. Und so leid es mir tut, Guwayne ist der Schlüssel – wer auch immer ihn hat, kann siegen, und die Herrschaft über die Welt erlangen. Für alle Zeit. Das hat Argon dir nie erzählt. Er konnte es dir noch nicht erzählen. Du warst noch nicht bereit, doch dafür hat er dich ausgebildet, für einen Krieg, der größer ist als alles, was du dir vorstellen kannst.“

Thor keuchte und versuchte, zu verstehen.

„Ich verstehe es nicht“, sagte er. „Sie wollten Guwayne nicht töten?“

Ragon schГјttelte den Kopf.

„Viel schlimmer. Sie haben ihn in ihre Reihen aufgenommen, um ihn als das Dämonenkind aufzuziehen, das sie brauchen, um die Prophezeiung zu erfüllen, die alles Gute im Universum zerstören wird.“

Thor schwankte und sein Herz pochte, als er versuchte, alles zu verstehen.

„Dann werde ich ihn zurückholen“, sagte er entschlossen und sein Willen wuchs als er Lycoples hoch oben am Himmel schreien hörte – auch sie wollte Rache.

Ragon ergriff Thors Handgelenk. Für einen Mann, der im Sterben lag, hatte er noch erstaunliche Kraft. Er sah Thor mit einer Intensität im Blick in die Augen, die ihm Angst machte.

„Das kannst du nicht“, sagte er fest. „Das Land des Blutes ist zu mächtig, als dass ein Mensch dort überleben könnte. Der Preis es zu betreten ist zu hoch. Selbst mit all deiner Macht, glaube mir – es wäre dein sicherer Tod. Euer aller Tod. Du bist noch nicht mächtig genug. Du musst trainieren, deine Macht ausweiten. Jetzt zu gehen wäre Irrsinn. Du könntest deinen Sohn nicht zurückholen und ihr würdet alle sterben.“

Doch die Entschlossenheit in Thors Herz wuchs.

„Ich habe die tiefste Finsternis gesehen und mich den stärksten Mächten dieser Welt gestellt“, sagte Thorgrin. „Selbst meinem eigenen Vater. Und niemals habe ich mich der Angst ergeben. Ich werde vor diesem finsteren Lord nicht klein beigeben, wie groß seine Macht auch sein mag. Ich werde das Land des Blutes betreten, was immer es auch kosten mag. Es geht um meinen Sohn. Ich werde ihn zurückholen, oder beim Versuch sterben.“

Ragon schГјttelte hustend den Kopf.

„Du bist noch nicht bereit“, sagte er keuchend. „Nicht bereit… du brauchst… Macht… du brauchst… den… Ring“, sagte er und spie hustend Blut.

Thor starrte ihn an – er musste wissen, was Ragon meinte, bevor er starb.

„Welcher Ring?“, fragte Thor. „Unsere Heimat?“

Lange Zeit war nur Ragons angestrengtes Atmen zu hören, bis er die Augen wieder ein wenig öffnete.

„Den… heiligen Ring.“

Thor packte Ragon bei den Schultern, verzweifelt um eine Antwort ringend, doch plötzlich spürte er, wie Ragons Körper erschlaffte. Sein Blick wandte sich starr gen Himmel und mit einem letzten Atemzug verließ ihn das Leben.

Ragon war tot.

Eine Welle des Schmerzes überwältigte Thor.

„NEIN!“ Thor warf den Kopf in den Nacken und sein Schrei stieg zum Himmel auf.

Er schluchzte und zitterte, als er Ragon zu sich heran zog, diesen so gГјtigen Mann, der sein Leben gegeben hatte, um seinen Sohn zu schГјtzen.

Trauer und Schuldgefühle überwältigten ihn – und langsam aber sicher wuchs die Entschlossenheit in ihm.

Thor blickte zum Himmel auf und wusste, was er tun musste.

„LYCOPLES!“, schrie er. Es war der verzweifelte und schmerzvolle Schrei eines Vaters, voller Zorn, der nichts mehr zu verlieren hatte.

Lycoples hörte seinen Ruf. Sie schrie hoch oben am Himmel, und ihr Zorn kam Thors gleich. Langsam zog sie ihre Kreise und ließ sich immer weiter herabsinken, bis sie schließlich ein paar Meter neben Thor landete.

Ohne zu zögern rannte Thor zu ihr, sprang auf ihren Rücken und hielt sich an ihrem Hals fest. Wieder auf dem Rücken eines Drachen zu sitzen gab ihm neue Kraft.

„Warte!“, rief O’Connor. „Wohin gehst du?“

Thor blickte ihm in die Augen.

„Ins Land des Blutes“, antwortetet er, und fühlte sich sicherer denn je in seiner Entscheidung. „Ich werde meinen Sohn retten. Was auch immer es kosten mag.“

„Du wirst sterben“, sagte Reece mit ernster Stimme.

„Dann werde ich mit Ehre sterben“, antwortete Thor.

Thor blickte zum Horizont, wo er die kleinen Rauchwolken der Spur der Gargoyles sah, die langsam vom Wind aufgelöst wurden – und er wusste, wohin er gehen musste.

„Dann wirst du nicht allein gehen“, rief Reece. „Wir werden dir auf dem Schiff folgen und dich dort treffen.“

Thorgrin nickte, signalisierte Lycoples mit den Knien und schon schwang sie sich in die LГјfte.

„Nein Thorgrin!“, hörte er eine gequälte Stimme hinter sich.

Er wusste, dass es Angel war, und verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen als er von ihr fort flog. Doch er konnte sich nicht umsehen. Sein Sohn lag vor ihm – und ob er nun leben würde oder nicht, er würde ihn finden – und die Verantwortlichen töten.




KAPITEL NEUN


Gwendolyn betrat den Thronsaal durch die hohen BogentГјren, die fГјr sie von mehreren Dienern aufgehalten wurden. Krohn folgte ihr und schmiegte sich beim Gehen an ihren Rock. Sie war beeindruckt von dem Anblick, der sich ihr bot.

Am anderen Ende des sonst leeren Saals saß der König auf seinem Thron. Donnernd wurden die Türen hinter ihr verschlossen. Sie ging auf ihn zu und bewunderte die bunten Bilder, die das Sonnenlicht, das durch die Bleiglasfenster fiel, auf den Steinboden malte. Der Saal mit den Tapisserien, die uralte Schlachtszenen zeigten, war sowohl einschüchternd als auch friedlich, inspirierend und verzaubert von den Geistern der Könige der Vergangenheit. Sie spürte ihre Gegenwart in der Luft, und es erinnerte sie in vielfältiger Weise an King’s Court. Plötzlich erwachte eine schmerzhafte Trauer in ihr, denn der Raum weckte Erinnerungen an ihren Vater, den sie schrecklich vermisste.

Der König, der ihren Namen trug, saß nachdenklich da. Er hatte das Kinn auf die Faust gestützt und Gwendolyn spürte, dass das Gewicht der Herrschaft schwer auf ihm lastete. Er wirkte einsam, wie gefangen an diesem Ort, als ob das Gewicht des ganzen Königreichs auf seinen Schultern lag. Sie verstand das Gefühl nur zu gut.

„Ah, Gwendolyn“, sagte er, und seine Miene erhellte sich.

Sie erwartete, dass er auf dem Thron sitzen blieb, doch er erhob sich sofort und eilte die Elfenbein-Stufen hinunter, ein warmes Lächeln auf den Lippen, bescheiden, ohne den Hochmut anderer Könige. Seine Bescheidenheit war eine willkommene Erleichterung für Gwendolyn, besonders nach der Begegnung mit seinem Sohn, die sie immer noch beschäftigte. Sie fragte sich, ob sie dem König davon erzählen sollte. Zumindest für den Augenblick jedoch wollte sie sich zurückhalten und abwarten, was passieren würde. Sie wollte nicht undankbar erscheinen oder ihr Treffen mit einem negativen Thema beginnen.

„Seit unserem Gespräch gestern habe ich an kaum etwas anderes denken können“, sagte er, als er auf sie zuging und liebevoll in den Arm nahm. Krohn, der neben ihr stand, winselte und stupste die Hand des Königs an. Er sah zu ihm herab und lächelte. „Und wer ist das?“

„Das ist Krohn“, antwortete sie erleichtert, dass er ihn zu mögen schien. „Mein Leopard – oder, um genau zu sein, der Leopard meines Gemahls. Auch wenn ich glaube, dass er zwischenzeitlich uns beiden gehört.“

Zu ihrer Erleichterung ging der König auf die Knie, nahm Krohns Kopf in beide Hände, kraulte ihn hinter den Ohren und küsste ihn ohne Angst. Krohn antwortete, indem er ihm das Gesicht leckte.

„Ein gutes Tier“, sagte er. „Eine willkommene Abwechslung zu den Hunden, die wir hier haben.“

Gwendolyn sah ihn Гјberrascht Гјber seinen liebevollen Umgang mit Krohn, da sie sich an Mardigs Worte erinnerte.

„Dann sind Tiere wie Krohn hier erlaubt?“, fragte sie.

Der König lachte schallend.

„Natürlich“, antwortete er. „Warum auch nicht? Hat dir jemand etwa etwas anderes gesagt?“

Gwendolyn überlegte, ob sie ihm von ihrer Begegnung erzählen sollte, doch sie entschied sich dafür, ihre Zunge im Zaum zu halten. Sie wollte nicht wie eine Tratschtante wirken, und sie musste mehr über diese Leute erfahren, diese Familie, bevor sie irgendwelche Schlüsse zog und sich übereilt in irgendwelche Familienstreitigkeiten stürzte. Sie spürte, dass es am besten war, zunächst zu schweigen.

„Du hast mich zu dir gebeten, mein König?“, sagte sie stattdessen.

Sofort wurde sein Gesicht ernst.

„Das habe ich“, sagte er. „Unser Gespräch gestern ist unterbrochen worden, und wir haben viel zu besprechen.“

Er drehte sich um und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Mit hallenden Schritten gingen sie durch den stillen Saal. Gwendolyn blickte auf und betrachtete die hohen Gewölbedecken, die Wappen an den Wänden, die Jagdtrophäen, die Waffen und die Rüstungen… Gwendolyn bewunderte die Ordnung, und wie stolz die Krieger hier auf ihre Schlachten waren. Dieser Saal erinnerte sie an einen Raum, den man auch im Ring hätte vorfinden können.

Sie gingen durch die Kammer und als sie das Ende des Raumes erreicht hatten, gingen sie durch eine weitere groГџe DoppeltГјr aus dickem Eichenholz auf einen riesigen Balkon, der gut 15 Meter lang war und ebenso breit, und von einer marmornen BrГјstung umschlossen wurde.

Sie folgte dem König bis an den Rand, legte ihre Hände auf den glatten Marmor und ließ den Blick schweifen. Unter ihr erstreckte sich die weitläufige und makellose Hauptstadt des Königreichs vom Joch, deren Schieferdächer die Silhouette der Stadt bestimmten und alle Häuser krönten. Die Häuser hatten waren von unterschiedlicher Form und Alter, dicht an dicht gebaut. Die Stadt war offensichtlich über die Jahrhunderte gewachsen, gemütlich, intim, lebendig. Mit ihren Spitzen und Türmchen hatte sie etwas Märchenhaftes an sich, besonders vor dem Hintergrund des blauen Sees, der in der Sonne glitzerte und hinter dem sich die Gipfel des Jochs erhoben, wie eine runde Mauer, um dieses wunderbare Land vor der Außenwelt zu schützen.

So versteckt, so beschГјtzt von der AuГџenwelt, konnte sich Gwendolyn nicht vorstellen, dass jemals irgendwelches Unheil Гјber diesen Ort kommen sollte.

Der König seufzte.

„Schwer vorstellbar, dass all das hier stirbt“, sagte er – und sie bemerkte, dass sie denselben Gedanken geteilt hatten.

„Schwer vorstellbar“, fügte er hinzu, „dass ich sterbe.“

Gwendolyn wandte sich ihm zu und sah den Schmerz in seinen hellblauen Augen, die voller Trauer waren. Sorge erwachte in ihr.

„An welcher Krankheit, Mylord?“, fragte sie. „Was immer es auch ist, es muss doch etwas geben, womit man es heilen kann!“

Langsam schГјttelte er den Kopf.

„Ich habe mit jedem Heiler gesprochen“, antwortete er. „Den besten des Königreichs natürlich. Sie haben kein Heilmittel. Es ist ein Krebs, der in mir wuchert.“

Er seufzte und blickte zum Horizont, und Gwendolyn wurde von tiefer Traurigkeit erfasst. Warum, fragte sie sich, wurden immer wieder die guten Menschen von Tragödien heimgesucht – während die Bösen es schafften zu blühen und zu gedeihen?

„Ich bemitleide mich nicht“, fügte der König hinzu. „Ich habe mein Schicksal akzeptiert. Ich mache mir keine Sorgen um mich, sondern um mein Erbe. Meine Kinder. Mein Königreich. Das ist alles, was mir jetzt wichtig ist. Ich kann nicht meine eigene Zukunft planen, doch ich kann zumindest ihre sichern.“

Er wandte sich ihr zu.

„Und darum habe ich dich gerufen.“

Gwendolyn brach es das Herz, und sie war bereit alles zu tun, um ihm zu helfen.

„So sehr ich es auch will, ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann. Du hast ein ganzes Königreich zu deiner Verfügung. Was habe ich schon zu bieten, was andere nicht auch haben?“

Er seufzte.

„Wir teilen dieselben Ziele“, sagte er. „Du möchtest das Empire vernichtet sehen – ebenso wie ich. Du möchtest eine Zukunft für deine Familie, diene Leute, einen sicheren Ort, weit fort vom Zugriff des Empire –ebenso wie ich. Natürlich haben wir diesen Frieden hier im Königreich des Jochs – für den Augenblick. Doch freie Menschen können überall hingehen, wo sie es wünschen – doch wir können das nicht. Solange wir uns verstecken müssen, sind wir nicht frei. Das ist ein grundlegender Unterschied.“

Wieder seufzte er.

„Natürlich leben wir in einer imperfekten Welt, und das hier mag das Beste sein, was diese Welt zu bieten hat. Doch ich glaube es nicht.“

Eine ganze Weile lang schwieg er, und Gwendolyn fragte sich, worauf er hinaus wollte.

„Wir leben unser Leben in Angst, so wie schon mein Vater vor mir“, fuhr er schließlich fort, „Angst, dass wir entdeckt werden, dass das Empire uns hier hinter dem Joch findet, dass sie hier auftauchen und den Krieg an unsere Türschwelle tragen. Und Krieger sollten niemals in Angst leben. Es gibt eine feine Linie zwischen dem Bewachen des Schlosses und der Angst, es zu verlassen. Ein großer Krieger kann seine Tore verstärken und sein Schloss verteidigen – doch ein noch größerer Krieger kann die Tore weit öffnen und sich furchtlos jedem stellen, der anklopft.“

Er wandte sich ihr zu und sie konnte eine königliche Entschlossenheit in seinen Augen sehen, konnte die Stärke spüren, die er ausstrahlte – und in diesem Augenblick verstand sie, warum er der König war.

„Es ist besser zu sterben, indem man sich tapfer einem Gegner stellt, als in Sicherheit zu warten, bis er vor unseren Toren aufmarschiert.“

Gwendolyn war sprachlos.

„Dann möchtest du das Empire angreifen?“, fragte sie.

Er sah ihr in die Augen, doch sie konnte immer noch nicht den Ausdruck auf seinem Gesicht verstehen oder das, was ihm durch den Kopf ging.

„Das will ich“, antwortete er. „Doch es ist eine unpopuläre Einstellung. Auch für meine Vorfahren vor mir war es schon unpopulär, weshalb sie es nie getan haben. Du musst wissen, dass die Sicherheit und der Reichtum des Landes ein Volk weich machen kann, widerwillig, das aufzugeben, was sie haben. Wenn ich einen Krieg anfinge, hätte ich viele feine Ritter hinter mir – doch mindestens ebenso viele widerwillige Bürger. Und vielleicht sogar eine Revolution.“

Gwendolyn ließ mit dem Auge einer Königin, der brillanten Strategin, die sie geworden war, den Blick über die Gipfel des Jochs gleiten, die sich am fernen Horizont erhoben.

„Es scheint so gut wie unmöglich zu sein, dass das Empire angreift“, antwortete sie. „Selbst wenn sie euch irgendwie finden sollten. Wie sollten sie die Klippen überwinden und über den See kommen?“

Er stemmte die Hände in die Hüften und studierte mit ihr den Horizont.

„Sicherlich wären wir im Vorteil“, antwortete er. „Wir würden hunderte der Ihren töten bevor sie auch nur einen der Unseren töten könnten. Doch das Problem ist, dass ihnen Millionen von Männern zur Verfügung stehen, uns nur ein paar Tausend. Letztendlich werden sie siegen.“

„Würden sie wirklich Millionen von Männern für einen winzigen Winkel des Empire opfern?“, fragte sie, doch sie kannte die Antwort bereits. Schließlich hatte sie selbst erlebt, was sie für den Sieg aufzugeben bereit waren, als sie den Ring angegriffen hatten.

„Beim Erobern sind sie bar jeder Rücksicht“, sagte er. „Sie würden alles dafür geben. So sind sie nun einmal. Sie würden niemals aufgeben. So ist es überliefert.“

„wie kann ich dann helfen, mein König?“, fragte sie.

Er seufzte und blickte schweigend auf die Stadt hinaus.

„Ich brauche deine Hilfe, um das Königreich zu retten“, sagte er schließlich und sah sie ernst an.

„Aber wie?“, fragte sie verwirrt.

„Unsere Prophezeiungen sprechen von der Ankunft eines Außenweltlers“, sagte er. „Einer Frau. Aus einem Königreich auf der anderen Seite des Meeres. Sie sagen, dass sie das Königreich rettet und dass sie unser Volk durch die Wüste führen wird. Bis zu deiner Ankunft wusste ich nicht, was die Prophezeiung bedeutete. Doch heute bin ich mir sicher, dass du diese Frau bist.“

Gwendolyn lief es bei seinen Worten kalt den RГјcken hinunter. Ihr Herz schmerzte noch immer vom Exil ihrer eigenen Leute, vom Untergang des Rings und sie vermisste Thor und Guwayne. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, wieder ein Volk fГјhren zu mГјssen.

„Das Land des Jochs stirbt“, fuhr er leise fort. „Mit jedem Tag vertrocknet der See ein wenig mehr. Wenn meine Kinder alt sind, wird das Wasser einer trockenen Einöde gewichen sein, und die Quelle unserer reichen Ernte wird fort sein. Ich muss an die Zukunft denken, weil mein Vater und seine Vorväter sich geweigert haben, es zu tun. Zu handeln ist nicht länger eine Option – es ist eine Notwendigkeit.“

„Doch was willst du tun?“, fragte sie.

Er seufzte und starrte gen Horizont.

„Es gibt einen Weg, das Land des Jochs zu retten“, sagte er. „Es geht das Gerücht, dass davon in den alten Büchern geschrieben steht, die von den Lichtsuchern bewacht werden.“

„Lichtsucher?“, fragte sie.

„Du musst wissen, dass auch in meinem Königreich ein Krebs wuchert“, erklärte er. „So perfekt alles aussehen mag, wenn du durch unsere Straßen gehst – es ist es nicht. Eine Schlingpflanze breitet sich unter meinem Volk aus, und es ist das Unkraut eines falschen Glaubens, einer Religion, eines Kults. Jeden Tag werden schließen sich im mehr Bürger an, und er hat sich in jeden Winkel der Hauptstadt ausgebreitet – selbst innerhalb meiner eigenen Familie. Kannst du dir das vorstellen? In der Familie des Königs?“




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